Artikel - Anorganisches Bindemittel
Umweltfreundliche und arbeitsplatzfreundliche Wasserhahngussproduktion durch innovative Bindemitteldosierung mit innovativen, anorganischen Bindemittelsystemen
Armaturengießerei (Hansgrohe SE), innovative Bindemittelsysteme mit innovativer, patentierter Dosiertechnik (KLEIN Anlagenbau AG) – ein vorbildliches Team
Lesezeit: 7 Min - Bild: Klein Anlagenbau AG
In der Vergangenheit stellten Unternehmen den wirtschaftlichen Erfolg vor den Umweltschutz. Heute werden Umweltschutz und wirtschaftliche Effizienz jedoch als dringende Notwendigkeiten für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen weltweit anerkannt. Dies hat dazu geführt, dass die Industrie den Umweltschutz mittlerweile konsequent als zentralen Aspekt wirtschaftlichen Handelns bei der Entwicklung innovativer Produkte berücksichtigt. Eine konsequente Reduzierung der Emissionen wird durch EU-Vorschriften gefordert, darunter das BREV-Verfahren (Best Available Technique Reference Process) und die neue TA-Luft.
In der naturgemäß energie- und emissionsintensiven Gießereiindustrie besteht ein hoher Druck, Energie einzusparen und Emissionen zu reduzieren oder sogar ganz zu vermeiden. Beim Kontakt von flüssigem Metall mit Formstoff und Kern kommt es häufig zur Zersetzung organischer Materialien in schädliche oder sogar giftige Reaktionsprodukte. Diese Emissionen erfordern immer aufwendigere Maßnahmen, um zu verhindern, dass diese Schadstoffe in die Umwelt gelangen. Die Entwicklung zur Schadstoffreduzierung organischer Bindemittelsysteme schreitet stetig voran. Emissionsfreie organische Bindemittelsysteme dürften jedoch in absehbarer Zeit nicht verfügbar sein.
Ganz anders verhält es sich bei heißhärtenden anorganischen Bindemittelsystemen auf Basis von Wasserglas bzw. Natriumsilicat. Anorganische Bindemittel dieser Art verursachen keine praktisch relevanten Emissionen – beim Gießen ist allenfalls etwas Wasserdampf sichtbar. In keinem der vorgelagerten Prozessschritte kommt es zu einer Geruchsentwicklung. Wasserglasbindemittel verfügen heute über sehr gute technologische Eigenschaften und auch bei der Bewältigung spezifischer Herausforderungen, wie zum Beispiel der Dekorierung, sind große Fortschritte zu verzeichnen. Gerade die technologische Eigenschaft der Entkernbarkeit stellte zugleich die Einstiegshürde dar, die es zu überwinden galt, um das anorganische Bindemittelsystem in einer vergleichsweise kleinen Gießerei zu etablieren.
Nach intensiver Forschung und Entwicklung hat die Gießerei Hansgrohe SE in Zusammenarbeit mit der Reinsicht GmbH und der KLEIN Anlagenbau AG einen entscheidenden Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Produktion gemacht.
Die Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2024 unterstreicht die Bemühungen der Hansgrohe SE in Sachen Nachhaltigkeit. Auch die internen Produktionsprozesse werden Schritt für Schritt auf Nachhaltigkeit optimiert. Im aktuellen Projekt lag der Fokus insbesondere auf der Optimierung der Luftqualität und der Vermeidung schädlicher Schadstoffe und Abfälle.
In umfangreichen vorgelagerten Versuchsreihen entwickelten Reinsicht und Hansgrohe SE das Bindemittelsystem für die Anforderungen der Kernsandmischung. Die Minimierung der erforderlichen Bindemittelmenge, die mit der Menge an organischem Bindemittel vergleichbar ist, führte zu einem akzeptablen Schussverhalten und der Vermeidung von Gasporosität und Einfallstellen. Auch auf die Entkernung wurde großer Wert gelegt, so dass die bestehende, auf das organische Bindemittel ausgelegte Strahlanlage ohne Umbaumaßnahmen und ohne den Einsatz zusätzlicher Geräte weiterbetrieben werden konnte.
Die Schießmaschinen wurden mit vertretbarem Aufwand an die Anforderungen des anorganischen Bindemittels angepasst. Konkret wurden Maßnahmen ergriffen, um ein Austrocknen der Kernsandmischung zu verhindern. Der Sandmischer musste nicht an die eigentliche Mischaufgabe angepasst werden. Im Vergleich dazu erfordern die Kern-Shooter-Tools den größten Anpassungsaufwand. Bei neuen Produkten fließen die bisher gesammelten Erfahrungen nun in die neue Werkzeugkonstruktion ein. Die Prozessparameter beim Kernschießen müssen natürlich an das chemisch und physikalisch unterschiedliche Bindemittelsystem angepasst werden, die Taktzeiten unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich. Die Lagerfähigkeit der Kerne bei Witterungsbedingungen mit hoher Luftfeuchtigkeit erfordert vergleichsweise wenig Mehraufwand.
Reinsicht hat es sich zur Aufgabe gemacht, umweltfreundliche Bindemittel auf Wasserglasbasis zu entwickeln und anzubieten. „Der Schutz der Umwelt ist unsere Pflicht, die Wirtschaft ist unser Interesse“ ist einer der Leitsätze bei der Entwicklung.
Mit dem Bindemittelsystem „BF“, Synonym für „Best Fit“, hat Reinsicht ein neues, wirtschaftliches Bindemittelsystem auf den Markt gebracht, das eine sichere, reproduzierbare Handhabung beim Dosieren und Mischen, eine vergleichsweise einfache Entkernung und akzeptable Gussoberflächen gewährleistet. Bei der Entwicklung wurde auch auf eine gute Regenerierbarkeit des verwendeten Kernsandes geachtet.
Das Bindemittelsystem besteht aus drei flüssigen Komponenten: Leim, Trimmer und Additiv, wobei mit jeder dieser Komponenten eine spezielle Eigenschaftskombination eingestellt werden kann. Dadurch kann die Kernsandmischung bei jeder Mischercharge individuell an die spezifischen Anforderungen der unterschiedlichen Kerngeometrien und Produktionsbedingungen angepasst werden. Die Flüssigdosierung hat den Vorteil, dass sich keine Rückstände im Mischer ansammeln, die bei der Dosierung pulverförmiger Komponenten zu Problemen führen können. Darüber hinaus erzeugt der Quarzsand in der ersten Dosierphase nur eine geringe Staubentwicklung, was die Arbeitsbedingungen in der Gießerei weiter verbessert.
Um die spezifischen, gewünschten Eigenschaften des Bindemittels zu optimieren, besteht eine der drei Komponenten, in der Keramikindustrie auch Schlicker oder Slurry genannt, aus einer wässrigen Suspension, die bis zu 70 Masse-% Feststoffe enthalten kann. Im Ruhezustand sedimentieren die Feststoffe und bilden einen thixotropen Brei, der jedoch wieder dispergiert werden kann. Der Feststoffanteil verleiht dem Schlicker auf natürliche Weise abrasive Eigenschaften.
Die Vorversuche mit einem Zwangsmischer und manueller Dosierung der Bindemittelkomponenten mit Bechern führten zu einer verkaufsfähigen Messinggussproduktion. Allerdings ist nun der Einsatz des BF-Bindemittelsystems in der vollautomatischen Mischanlage erforderlich. Um dies zu erreichen, wurde im Technikum der KLEIN Anlagenbau AG eine Dosiertestanlage konzipiert, aufgebaut und ausgiebig getestet. Anschließend wurde die Anlage in Zusammenarbeit mit der Hansgrohe SE vor Ort in die bestehende Misch- und Dosieranlage integriert.
Um den hohen Anforderungen an Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Dosiermenge gerecht zu werden, waren aufgrund zweier Randbedingungen, Absetzen der Feststoffe und Abrasivität, spezifische Lösungen in der Anlagentechnik erforderlich. Um ein Absetzen zu verhindern, muss eine ständige Zirkulation der Suspension gewährleistet sein. Darüber hinaus war nach einem längeren Anlagenstillstand eine Homogenisierung des Schlickers erforderlich. Gleichzeitig musste die exakte Dosierung der Suspension schnell und sofort bei Bedarf zuverlässig und reproduzierbar zur Verfügung stehen. Dosiergeräte wie Zahnradpumpen sind hier ungeeignet, da gegeneinander gleitende mechanische Bauteile unter dem Einfluss der abrasiven Eigenschaften des Schlickers innerhalb kurzer Zeit versagen.
Die bewährte und bekannte Produktpalette der Balgdosiergeräte der KLEIN Anlagenbau AG wurde nun um das neue Umlaufdosiergerät BDG-ULD erweitert. Der BDG 254-ULD kann zuverlässig und reproduzierbar Schlickermengen von 12,5 bis 220 Gramm pro Dosiervorgang mit einer Genauigkeit von ± 0,6 % (FS) dosieren. Der BDG-ULD kann auf Wunsch mit einer Durchflusskontrolle ausgestattet werden und verfügt über eine benutzerfreundliche, in die Steuerung integrierte Mehrpunktkalibrierung. Es ist vollautomatisch und kann in bestehende Bindemitteldosiersysteme integriert werden.
Der BDG-ULD hat sich bei der Hansgrohe SE bewährt. Im Bestreben, seine weltberühmten Produkte nachhaltig zu produzieren, setzt Hansgrohe mittlerweile mit Erfolg auf umweltfreundliche Bindemittel. Schritt für Schritt soll nun der Anteil anorganischer Bindemittel weiter erhöht werden.
Mit der Entwicklung und Bestätigung des BDG-ULD im Dauerbetrieb stehen nun das umweltfreundliche Bindemittel der Reinsicht GmbH und die maßgeschneiderte Balgdosieranlage BDG-ULD der KLEIN Anlagenbau AG für den allgemeinen Einsatz zur Verfügung.
Dies kann nicht nur für kleinere Gießereien besonders interessant sein. Oftmals muss der Wunsch nach Innovation und Umsetzung bestehender Ideen aus Gründen der Kapazitätsauslastung zurückgestellt werden. Reinsicht und die KLEIN Anlagenbau AG bieten hier einen niedrigschwelligen Einstieg, indem sie Bindemittel und Mischtechnik versuchsfertig zur Verfügung stellen und mit ihrem Know-how gemeinsam mit den Prozessbetreibern vor Ort optimale Lösungen entwickeln. Mit diesem Ansatz können sowohl Umweltschutz als auch Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Kontaktieren Sie uns – wir freuen uns auf Sie!